Die Geschichte Kröpelins
– eine Zusammenfassung von Steffi Brüning

Wenn wir heute Kröpelin betrachten, ist es schwer vorstellbar, dass hier erste Siedler schon während der Steinzeit lebten. Doch anhand gefundener Steinwerkzeuge, die mittlerweile allerdings als verschollen gelten, kann eine Siedlung vor über 8.000 Jahren als wahrscheinlich angenommen werden.[1]

Nachweisbar wird die Existenz einer Siedlung im heutigen Kröpelin ab dem Jahr 500 n. Chr., als das Volk der Wenden in ganz Mecklenburg-Vorpommern ansässig wurde. Ungefähr 600 Jahre lang lebten die Wenden, heute meist West- oder auch Elbslawen genannt, in Kröpelin. An die Wenden erinnert, neben Familiennamen wie z.B. Wendt, der Stadtname. 1177 als „Crapelin“ bezeichnet, tauchte 1250 der Name „Cropelin“ auf, dann „Cropolin“, „Cröplin“ und schlussendlich „Kröpelin“. Die Bedeutung des Namens wird äußerst unterschiedlich aufgefasst. Einige leiten Kröpelin vom wendischen Wort „krepelice“ – Wachtel ab. Andere beziehen den Namen auf die wendische Familie „Kropola“. Die Sage vom Krüppel, der das heutige Stadtgebiet umrundet und sich damit zu Eigen gemacht hat, stammt aus der Zeit, in der die Herleitung des ursprünglichen Namens nicht mehr geläufig war. So bezog man „Kröpelin“ auf „Krüppel“. Der Sage nach bat ein Soldat, vom Krieg stark verletzt, um Land bei seinem Landesherrn. Dieser dachte, er habe nicht viel zu verlieren, wenn er dem Soldat erlaubte das Land zu behalten, das er an einem Tag umrunden könnte. Der Soldat allerdings schaffte es mit der Hilfe von Klötzen, das gesamte heutige Stadtgebiet zu umrunden. Auch heute wird diese Sage noch durch das Stadtwappen und den darauf abgebildeten Krüppel, aufgegriffen.[2]

Etwa 1160 starb der Wendenfürst Niklot, daraufhin herrschte der Sachsenherzog Heinrich der Löwe über Mecklenburg. Durch den Herrschaftswechsel besiedelten die ersten Deutschen das Land. Heinrich der Löwe versuchte, seine Herrschaft in Mecklenburg durch diese Siedler zu erhalten. Einwohner Frieslands, Hollands und Westfalens kamen dem Aufruf Heinrichs des Löwen nach und besiedelten das vom Krieg mitgenommene Mecklenburg. So kam es, dass auch Kröpelin 1177 bereits von Deutschen besetzt war. Die Namen Westendorf, Westphal und andere erinnern immer noch an diese Besiedlung. Die neuen Bewohner akzeptierten bis ins 15. Jahrhundert keine Wenden in Kröpelin. So durfte beispielsweise noch 1463 kein Lehrling der Weber wendischer Herkunft sein. Vertrieben gründeten die Wenden eine neue Siedlung unweit des deutschen Dorfes Kröpelin.[3]

Im Jahr 1186 entstand dann bereits die erste Kirche und Pfarre Kröpelins. Von dieser Kirche ist heute leider keine Spur mehr vorhanden. Bekannt ist aber, dass es ein einfaches Holzgebäude war. Die Kirche und Pfarre waren dem Kloster von Doberan unterstellt. Durch diesen Umstand kamen den Kröpeliner Geistlichen sehr viele Rechte und vor allem Schutz zu. So durften die Mönche und Geschäftsleute der Klosterdörfer zollfreien Handel treiben und gegen nur geringe Abgaben auf dem Markt zu Rostock ein- und verkaufen. Ab 1209 gehörte Kröpelin dann aus ungeklärten Gründen nicht mehr zum Klosterbesitz Doberans.[4]

1229 fiel das Dorf Kröpelin an die Herrschaft Rostock. Da Kröpelin zu dieser Zeit äußerst wohlhabend war, erhob der Rostocker Herrscher Heinrich Borwin III. Kröpelin bald als Stadt. Wann genau Kröpelin das Stadtrecht erhielt, ist heute nicht mehr zu sagen. Die erste Urkunde, in der Kröpelin als Stadt betitelt wurde, ist aus dem Jahr 1250. Da die Stadt sehr langgestreckt war, konnte sie sich nie, von Mauern umgeben, schützen. [5]

Um hier nicht nur Zahlen und Fakten zu erfassen, soll nun ein kleiner Einblick in das Leben der Kröpeliner Menschen des Mittelalters folgen: Die Kröpeliner waren schon immer sehr fleißige und bescheidene Leute. War es anderorts im 16. Jahrhundert üblich, sich prunkvoll zu schmücken, kleideten die Einwohner unserer Stadt sich auch bei großen Festen eher schlicht. Trotzdem soll nicht angenommen werden, dass wir nicht verstehen, wie man Feste feiert. Im Gegenteil, die Kröpeliner verachteten damals wie heute keine gute Feier. Sogar der Rat notierte die Feierfreudigkeit: 1580 verkauften Kröpeliner Bürger einen städtischen Acker an den Stadtvogt für eine Tonne Bier, die sie sogleich zusammen austranken. Durch die Lust zum Trinken wurde auch so mancher Unfug betrieben. Eine Geschichte, die heute immer noch erzählt wird, geht beispielsweise so: Im 18. Jahrhundert nahmen angeheiterte Kröpeliner den Hochzeitswagen eines Brautpaares auseinander. Aber damit nicht genug. Der Scherz bestand vielmehr darin, dass sie diesen Wagen auf dem Dach des Hauses des frisch vermählten Ehepaares wieder aufbauten. Durch die flachen Strohdächer gestaltete sich dieser Spaß äußerst leicht.[6]

Eine andere Anekdote kann der Chronist Heinrich Schreiber berichten: „Auf einer anderen Hochzeit hatte man dem ehrwürdigen Pastor Polchow faule Eier in die Perücke geworfen. Als Pastor Hävernick ins Amt kam, trat er ganz energisch gegen den bei Hochzeiten gebräuchlichen Unfug auf und es gelang ihm, bessere Sitten einzuführen.“[7]

Auch in der Gegenwart feiern wir Kröpeliner immer noch allzu gern, doch Angst muss deswegen kein Besucher unserer Stadt haben!

Leider wurde die Fröhlichkeit der Kröpeliner Einwohner durch verheerende Katastrophen oft getrübt. Vor allem sind hier die großen Brände der Jahre 1377, 1560, 1580, 1738 und 1774 zu nennen. Die mit Stroh gedeckten Häuser der Stadt waren ein leichtes Opfer für die Flammen und so brannte mehrmals nahezu das ganze Stadtgebiet ab. Die heute üblichen Versicherungen oder Feuerwehren waren damals noch nicht vorhanden, die Brände ruinierten also mehrmals die Existenz der Kröpeliner. Das Feuer des Jahres 1580 wird als erstes ausführlich vom Rat beschrieben. Die Ursache für den Brand war Brandstiftung. Der Brandtstifter war laut Berichten des Rates selbst Kröpeliner. Durch dieses Feuer sind nahezu alle Gebäude vernichtet worden. Lediglich fünf Häuser und die Kirche fielen den Flammen nicht zum Opfer. Das nächste große Feuer brannte im Jahre 1738. Zu dieser Zeit war eine Gruppe holsteinischer Musketiere in Kröpelin einquartiert. Einer von Ihnen kam während eines Sturmes auf die Idee, Sperlinge zu schießen. Anstatt die Vögel zu berühren, traf er allerdings das Dach einer Scheune – Sekunden später stand es in Flammen. Durch den Sturm begünstigt, griff der Brand alsbald auf die Rostocker Straße und die Hören über. Dann ergriffen die Flammen die Dammstraße und so zündete sich in kurzer Zeit jedes Haus an. Auch das neu erbaute Rathaus fiel den Flammen zu Opfer. Kein einziges Haus um den Marktplatz blieb verschont. Nur die Kirche trotzte den Flammen, obwohl sie vom Feuer umringt wurde. Innerhalb von zwei Stunden wurden 92 Wohnhäuser zerstört, nur 14-16 blieben verschont. Der Verursacher des Brandes ergriff sofort die Flucht, nachdem er sah, was er angerichtet hatte. Der gesamte Schaden des Feuers wurde vom Bürgermeister und Rat auf etwa eine Tonne Gold geschätzt.[8]

In den nächsten Jahren versuchten die Bewohner alles, um ihre Stadt wieder aufzubauen. Doch sie hatten nicht aus dem Feuer gelernt: Die Gebäude wurden auf die gleiche, gefährliche Weise wieder aufgebaut. Die Dächer wurden noch immer mit Stroh gedeckt, die Scheunen gleich in ihre Nähe gebaut, vor den Türen lagen noch immer die Dunghaufen. Aus diesem Grund ist es nicht schwer zu verstehen, dass bereits im Jahr 1774 der nächste Brand ausbrach. Dieses Mal brach das Feuer nachts in einem Wohnhaus der Rostocker Straße aus und breitete sich, wieder durch einen schweren Sturm, binnen weniger Minuten auf die ganze Stadt aus. Die Menschen, aus dem Schlaf gerissen, versuchten, aus ihren brennenden Häusern zu fliehen. Zwei Einwohner Kröpelins fielen den Flammen zum Opfer. Innerhalb weniger Stunden standen 90 Wohnhäuser, 27 Scheunen und etwa 270 Backhäuser in Flammen. Dank helfender Hände aus der ganzen Umgebung gelang es den Kröpelinern, ihre Stadt abermals aufzubauen. Geld, Baumaterialien und Nahrungsmittel wurden gesammelt, so dass Kröpelin wieder aus der Asche auferstehen konnte. Hilfe zum Bau neuer Häuser wurde jedoch nur bei der Einhaltung bestimmter Bauvorschriften bewilligt, so dass ein Brand nicht mehr allzu leicht entfachen konnte. Am 11. Juli 1788 wurde schließlich feierlich das neue Rathaus seiner Bestimmung übergeben. Daraufhin feierten die Kröpeliner wieder wie früher bis in die Morgenstunden. Der amtierende Bürgermeister schloss seine Rede mit den wahren Worten: „Wir sind wieder, was wir waren, und haben wieder, was wir hatten!“[9]

Doch wie sahen die Häuser Kröpelins in der frühen Neuzeit aus? Zuerst einmal war die heutige Rostocker bzw. Wismarsche Straße die so genannte „Hauptgasse“. Die meisten anderen Straßen oder Wege besaßen keine Namen. Die Hauptgasse war seit dem 17. Jh. an beiden Seiten mit Häusern bebaut und vermutlich schon gepflastert. Auf alle anderen Straßen traf das nicht zu. Die Wohnhäuser Kröpelins waren nicht regelmäßig angeordnet. Vielmehr lagen sie, wie in Bauerndörfern, im Hintergrund des Hofes. Die Höfe waren von der Straße durch Zäune oder Hecken getrennt. Fast alle Gebäude der Stadt waren Giebelhäuser, deren Giebel gleichschenklige Dreiecke bildeten. Ausnahmslos jedes Haus war von Fachwerk. Die Kirche war das einzige Gebäude aus Stein. Direkt hinter den Wohnhäusern befanden sich Scheunen und Ställe, die mit Stroh gedeckt wurden. Sowohl von außen als auch von innen waren die Häuser eher schmucklos und bescheiden eingerichtet. 1690 sollen in Kröpelin ungefähr 415 Menschen gewohnt haben. Nach dem letzten Brand im Jahr 1774 durften die Häuser rund um den Markt nur noch zweistöckig und ohne Strohdach erbaut werden. Für die Vorstadt hingegen galten diese Vorschriften nicht, so dass sie ihr ursprüngliches Aussehen weitgehend behielten. Die letzten Strohdächer wurden hier erst 1874 ersetzt. Ab dem Jahr 1793 wurden, durch eine landesherrliche Verordnung, weitere Häuser gebaut. Die meisten Straßen wiesen neben Häusern zumeist Gärten oder Freiflächen auf. Diese sollten verschwinden. So wuchs die Zahl der Gebäude und Einwohner Kröpelins bis zum Jahr 1856 auf 354 Häuser und 2170 Einwohner an. 1932 hatte Kröpelin schließlich 2500 Einwohner. [10]

Zu den Einwohnern gehörte – nachweisbar – seit 1784 auch ein erster jüdischer Bewohner. Der Kaufmann Salomon Hirsch stammte aus Neubukow und erhielt in diesem Jahr von Herzog Friedrich einen Schutzbrief, der es ihm erlaubte, nach Kröpelin zu ziehen. Drei Jahre später bestand sein Haushalt aus 7 Personen. Im Jahr 1804 war die Zahl der jüdischen Gemeine auf 28 Personen angewachsen. Die meisten der jüdischen Einwohner stammten aus Neubukow. Die Verbindung zu dieser Muttergemeinde wurde vor allem dadurch aufrechterhalten, dass sie ihre verstorbenen Mitglieder immer noch in Neubukow beerdigten. 1825 erhielten sie schließlich ihren eigenen Friedhof im ehemaligen Stadtdienergarten.[11]

Im Folgenden wird ein kleiner Zeitsprung unternommen, um an schreckliche Kapitel in der Kröpeliner Geschichte zu erinnern: Die Auswirkungen der verschiedenen Kriege, die teilweise auch in unserer Stadt tobten. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) soll hier exemplarisch behandelt werden. Nach einer Schlacht im Jahr 1626, bei der die kaiserlichen Truppen unter General Tilly siegten, zogen sie plündernd durch das ganz Land. Nun begann auch Mecklenburg die Tragik des Krieges zu spüren. Besonders interessant waren für die Truppen die beiden Seestädte Rostock und Wismar. Kröpelin lag nun in der Mitte dieser beiden Ziele an einer wichtigen Verbindungsstraße. Daher ist es nicht überraschend, dass die kaiserliche Armee alsbald in der kleinen Stadt eintraf. Kröpelin wurde daraufhin nicht nur von vielen Einquartierungen geschwächt, sondern auch vollkommen ausgeplündert. Nach der Landung des schwedischen Königs Gustav Adolf, konnte die Stadt befreit und in die Hand des rechtmäßigen Landesherrn, Adolf Friedrich übergeben werden. Doch die Schrecken sollten noch nicht vorüber sein. Wismar, Poel und Warnemünde kamen in schwedischen Besitz. Die schwedische Armee war vor allem in Wismar stationiert. Von dort aus führten sie ihre Angriffe gegen die kaiserlichen Truppen und deren Verbündeten. Aufgrund dieser Angriffe, wurde Kröpelin wiederholt von Einquartierungen geschwächt. Im November 1633 lagen beispielsweise zwei schwedische Kompanien in Kröpelin. Diese Kompanien bestanden insgesamt aus 280 Männern. Diese und andere stationierte Truppen mussten die Einwohner komplett verpflegen. Für eine solch kleine Stadt gleicht dieser Aufwand einer Zerstörung. Die Last war durch den Rückgang der Bevölkerung noch größer. Die Bewohner wurden im Krieg getötet, flohen in größere Städte oder starben durch die sich von Rostock ausbreitende Pest. Doch nicht nur die Kosten der Verpflegung mussten die übrig gebliebenen Einwohner alleine tragen, sondern auch viele Abgaben an den Landesherrn und die Kriegführenden. Immer wieder erbaten sie beim Herzog eine Verringerung und einen Aufschub der Abgaben. Der Herzog erwies sich wiederholt gnädig, die Truppen allerdings blieben. Auch Tiere, sowie das Hab und Gut der Bewohner stahlen die Einquartierten. Die Soldaten und Offiziere brandschatzten und raubten. Doch die furchtbarste Zeit stand der kleinen Stadt noch bevor. Im Jahr 1637 kehrten die kaiserlichen Truppen zurück, ein Jahr darauf wieder die Schweden. Das Hospital wurde in Brand gesetzt, die Geräte für das Abendmahl gestohlen, die Schweden und Soldaten des Kaisers hausten in dieser Zeit wilder als zuvor. Einer mündlichen Überlieferung nach soll ein Soldat des Kaisers während der Verfolgung eines fliehenden Kröpeliner Bürgers im Torfmoor mit samt Pferd verschwunden sein. Ein im Krieg beliebtes Foltermittel war der Schwedentrunk, der auch in Kröpelin Anwendung gefunden haben soll. Dabei wurde den hilflosen Opfern Jauche direkt in den Mund geschüttet. Neben dem Ekel verursachte dieser Trunk unerträgliche Schmerzen. Im Jahr 1648 wurde dann endlich der Westfälische Friede unterzeichnet. Dieser Friedensvertrag beendete den Krieg und die schwere Zeit unserer Stadt.[12] Viele weitere Kriege erschütterten Mecklenburg, z.B. der dänisch-schwedische, holländisch-französische und der Nordische Krieg. Alle Auseinandersetzungen bedeuteten neues Leid für unsere Stadt.

Auf eine historische Tragödie, die Kröpelin traurigen Ruhm einbrachte, soll an dieser Stelle noch eingegangen werden: die Hexenprozesse tobten. In unserer Stadt fand der erste bekannte Prozess dieser Art in Mecklenburg statt. Im 14. Jahrhundert brach zwischen sächsischen und wendischen Mönchen im Kloster Doberan ein erbitterter Streit aus. Auslöser des Streits waren die Wenden: Sie forderten Gleichberechtigung mit den seit Jahren in Doberan ansässigen sächsischen Mönchen. Dieser Forderung wurde nicht erfüllt. Im Mai 1336 kam daraufhin der Fürst Albrecht von Mecklenburg nach Satow, um die streitenden Parteien zu versöhnen. Er entging nur knapp einem Mordanschlag der sächsischen Mönche, die einen tödlichen Trank zubereitet hatten. Da dieser Anschlag fehlschlug, wandten sich die Mönche der Zauberei zu. Die in Hohenfelde wohnende Margarete Genseke fertigte eine Wachspuppe an und taufte sie im Namen des Teufels. Mit Hilfe dieser Puppe hoffte man, feindliche Mönche und den Fürsten im Verborgenen zu ermorden. Doch der Fürst hörte alsbald von dieser Geschichte und griff sofort ein. Er begab sich im Juli 1336 nach Hohenfelde und führte die geständige Hexe nach Doberan. Am Tag darauf ließ er Margarete Genseke nach Kröpelin bringen und hielt selbst in der Stadt Gericht. Die immer noch geständige Hexe wurde sofort in der Nähe der Stadt verbrannt. Die Blütezeit der Hexenprozesse in Kröpelin fällt aber auf die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg: 1665-1668. Viele Männer und Frauen mussten in dieser Zeit ihr Leben lassen. Der bekannteste Fall handelt von Köneke Latsch. Nachdem einige Kröpeliner Einwohner Ärger mit ihren Tieren hatten, beschuldigten sie Köneke Latsch, dieses Leid verursacht zu haben. Sie wurde verhaftet und viele Tage und Wochen lang verhört und gefoltert. Doch Bein- und Daumenschrauben konnten ihr kein Geständnis entlocken. Nach Monaten in Haft, mehreren Prozessen, weiteren Folterungen und der Beschuldigung durch ihre eigene Schwester, brach die Frau zusammen und gestand, der Hexerei fähig zu sein. Am 10. September 1666, neun Monate nach ihrer Verhaftung, wurde sie öffentlich verbrannt.[13]

Im 19. Jahrhundert verwandelte sich die Stadt langsam in das, was wir heute als Kröpelin kennen: Zahlreiche Bäcker und Schlachter siedelten sich an, vor allem waren es aber die Schuster, für die Kröpelin weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. 1867 zählten 135 eingetragene Schuster zur Bevölkerung Kröpelins. Über die Jahrhunderte hinweg waren auch die Mühlen fester Bestandteil unserer Stadt. 1871 mahlten in Kröpelin drei städtische Mühlen. Die Schützenzunft, mit der wir heute noch das Schützenfest feiern, ist ebenfalls Teil der Geschichte. 1763 gründete sie sich und kennzeichnete Kröpelin. Zur jüdischen Gemeinde der Stadt gehörten 1850 14 Familien. Die erste Sparkasse wurde am 2. Januar 1831 als „Ersparnis-Anstalt zu Kröpelin“ eröffnet. Mit Ausbruch der deutschen Revolution 1848 veränderte sich auch unsere Stadt weiter. Zu den Erfolgen zählte beispielsweise, dass der Bürgerausschuss von acht auf 12 Mitgliedern anwuchs. In den Jahren nach der Revolution wanderten jedoch viele arme Bürger aus Kröpelin aus, um ihr Glück im entfernten Amerika zu suchen. [14]

Nach der Gründung des Kaiserreiches 1871 war der Aufschwung unserer kleinen Stadt nicht mehr zu bremsen. Bereits im gleichen Jahr eröffnete das neue Schulhaus in der Wismarschen Straße. Außerdem wurde ein Amtsgericht, der „Ostsee-Bote“ und die Eröffnung des Fernsprechverkehrs (1899) Zeichen der Blüte Kröpelins. Seit 1883 konnten unsere Einwohner am neuen Bahnhof den Zugverkehr nutzen. Kröpelin trat erfolgreich in das neue Jahrhundert ein.[15]

Das 20. Jahrhundert fing für die 2390 Einwohner äußerst viel versprechend an. 1906 wurde unser Wahrzeichen, die „versenkbare Mühle“ errichtet. Viele Reisende erfreuten und erfreuen sich noch heute über das Phänomen. 1912 wurde Kröpelin endlich an das Stromnetz angeschlossen. Doch schon bald wurde die Blütezeit der Stadt durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges beendet. Die Lebensmittelpreise stiegen, Frauen mussten für Hungerlöhne arbeiten, um ihre Kinder weiterhin ernähren zu können. Zahlreiche Väter, Ehemänner und Söhne ließen im Namen des Kaiserreiches ihr Leben. Unerträgliches Leid erschütterte unsere Stadt und das gesamte Land. Nach Ende des Krieges brach die Novemberrevolution aus. Diese brachte für Kröpelin eine wichtige Neuerung: das Ende der Gesindeordnung. Die nun folgende Weimarer Republik war neben neuen Freiheiten vor allem durch Krisen gekennzeichnet. Die Inflation brach aus und traf auch Mecklenburg. Im Jahr 1923 kostete zum Beispiel ein Pfund Butter 243 000 000 Mark, für eine Stange Porree bezahlten die Bürger 180 000 Mark. Ab dem Jahr 1930 ging es weiter bergab. Die Weltwirtschaftskrise traf unsere Stadt hart. 294 Menschen waren im März 1932 arbeitslos, vergleichend waren es 1930 nur 68 Einwohner. Diese Krisen begründeten den Aufstieg der Ortsgruppe der NSDAP. 1929 war bereits eine Ortsgruppe der Hitlerjugend in Kröpelin gegründet worden. 1932 erlangte die NSDAP in Kröpelin eine große Anzahl der Stimmen (726). Die SPD, die bei Wahlen in unserer Stadt meist in Führung lag, erhielt jetzt nur noch 367 Stimmen. Der Untergang der Weimarer Republik war nicht mehr aufzuhalten.[16]

Am 30. Januar 1933 begann schließlich die folgenschwere Herrschaft der NSDAP. An diesem Tag marschierten auch viele Kröpeliner und feierten bzw. folgten dem neuen Führer. Im gleichen Jahr zählte die NSDAP 104 Mitglieder. Durch den Verbot und die Auflösung anderer Parteien herrschte die NSDAP nun als alleinige politische Kraft im Land. Die Menschen mussten sich ihrer Berufsgruppe gemäß an Vereine und Verbände binden. Die HJ startete massive Webeaktionen, so dass viele Jugendliche folgten und sich zum Beispiel den nun modischen militärischen Kurzhaarschnitt zulegten. Im September 1934 waren an der Volksschule in unserer Stadt nur noch 30 SchülerInnen nicht Mitglied eines Jugendverbandes. Die gesamte Verwaltung wurde den Ideen der NSDAP angeglichen. 1938 verkündete der instrumentalisierte „Ostsee-Bote“ den wirtschaftlichen Aufschwung Kröpelins. Viele Einwohner durchschauten allerdings nicht den Zusammenhang zwischen Aufschwung und Kriegsvorbereitung: der Aufbau des Luftwaffenübungsplatzes in Wustrow bot Kröpeliner Handwerkern, Arbeitern und Unternehmern Beschäftigungsmöglichkeiten. So jubelten viele Kröpeliner am 26. September 1937 Adolf Hitler und Benito Mussolini auf ihrem Weg nach Wustrow am Bahnhof zu. Auch die Hitlerjugend überschlug sich in Jubelrufen. Vorsorglich wurden die sieben ehemaligen Anführer der Arbeiterbewegung Kröpelins in Haft genommen, damit niemand den Jubel unterbrechen konnte. Während die Nationalsozialisten ihre Macht weiter festigten, verschwanden die letzten jüdischen Mitbürger unserer Stadt. 1938 wurde der jüdische Friedhof erheblich geschändet. Das Stadtwappen musste einem Greifen mit Hakenkreuz weichen, da die Nazis den Krüppel als abscheulich ansahen. Während des zweiten Weltkrieges litt die Bevölkerung abermals. Lebensmittel wurden rationiert, die eingezogenen Männer wurden immer jünger und die sich langsam nähernden Flüchtlingszüge aus dem Osten waren Vorboten der Niederlage. Kurz vor Ende des Krieges, befahlen die Soldaten jedoch, durchzuhalten und weiterzukämpfen. Die Einwohner Kröpelins dagegen hofften auf ein Ende des Krieges. Aus diesem Grund riefen unter anderem der Maurer Fritz Keßler und der Schneidermeister Richard Mahn dazu auf, weiße Flaggen zu hissen. Die Sperren der Panzer wurden entfernt und die Stadt konnte gerettet werden. Sie ergab sich kampflos den sowjetischen Truppen. Nach mehr als 130 Jahren begann für Kröpelin eine neue Zeit der Besatzung. Nach einer Phase der Angst vor den neuen Besatzern begannen diese, Personen zu verhaften, die in Verdacht standen, aktive Nationalsozialisten gewesen zu sein. Dabei traf es allerdings nicht nur Schuldige, sondern auch Mitläufer und Unschuldige. Manche von ihnen sollten die folgenden Jahre in den Gefängnissen nicht überleben. Am Tag der Kapitulation, dem 8. Mai 1945, bildete sich ein antifaschistisches Stadtkomitee aus ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern. Sie berieten zusammen mit dem russischen Stadtkommandanten über die wichtigsten Fragen der Versorgung und Verwaltung. Erster Bürgermeister wurde Alex Michaels, ein geachteter Verleger.[17]

Noch im Jahr 1945 nahm die örtliche Schule wieder ihre Tätigkeit auf. Nach den ersten Nachkriegswahlen am 15. September 1946 zogen je acht Vertreter der neu entstandenen SED und CDU in die Stadtvertretung. Im Folgenden wurde die finanzielle und wirtschaftliche Situation unserer Stadt durch Fragebögen und Zählungen erfasst. Weiterhin entstanden Gemeindeausschüsse, die dem Bürgermeister beratend zur Seite stehen sollten. Ebenfalls eine große Veränderung war der Beginn der Bodenreform. Das Land ehemaliger Nazis wurde enteignet, auch andere Bauernhöfe wurden unter Neubauern aufgeteilt. 1948 waren ca. die Hälfte der Einwohner Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten. Die Einwohnerzahl schoss so von 2623 auf 4681 Bürgern in die Höhe. 1950 fanden die ersten Wahlen in der neu formierten DDR statt. Erstmalig wurde nach Einheitsliste gewählt, außerdem wurden die Einwohner dazu angehalten, die Wahlkabine nicht zu benutzen. Aus diesen Umständen lässt sich das eindeutige Ergebnis zu Gunsten der SED (99,7%) erklären. Nach dem Wahlsieg der SED setzte sich die Umgestaltung Deutschlands fort. Das Land Mecklenburg existierte nicht mehr, Kröpelin wurde in den Ostsee-Bezirk Rostock im Kreis Bad Doberan aufgenommen. Genossenschaften aller Art entstanden in unserer Stadt, die Jugendweihe wurde eingeführt und viele andere Veränderungen fanden statt. 1961 nahm die neu gebaute Haupt- und Realschule den Unterrichtsbetrieb auf. Bei der 725-Jahrfeier im Juni 1974 zählte Kröpelin 4596 Einwohner. Trotz den vielen Mängeln der DDR war für die Kröpeliner eine gewisse soziale Sicherheit gegeben. Doch in den 1980er Jahren wuchs der Ärger über die Mangelwirtschaft und das politische System der DDR. Die DDR sollte schon bald Teil der Geschichte sein.[18]

Ab Januar 1990 trafen sich der evangelische Pastor und der katholische Pfarrer am runden Tisch. Die Bürger Kröpelins setzten hohe Erwartungen an eine schnelle Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Neuer Bürgermeister wurde am 6. Mai Karl-Heinz Schwarck. Am 3. Oktober 1990 vereinigten sich schließlich beide deutsche Staaten und Kröpelin war fortan Teil der BRD. In der Folgezeit ging die Zahl der Arbeitsplätze stark zurück. Die Genossenschaften schlossen ihre Pforten, die Kinderbetreuungsstätten wurden zusammengelegt, Betriebe mussten schließen. Seit 1932 wies unsere Stadt nun wieder eine hohe Zahl an Arbeitslosen auf. Doch schrittweise wurde Kröpelin modernisiert. 1994 zeigte sich das prächtige Rathaus im neuen Glanz. Auch der Marktplatz und die umstehenden Gebäude durchliefen Renovierungsarbeiten, um der Stadt ein neues Antlitz zu verleihen. Ein Jahr später eröffnete das Alten- und Pflegeheim der AWO auf dem Wedenberg. Kurz darauf wurde die geforderte Umgehungsstraße fertig gestellt. Auch Gebäude und Straßen wurden aufwendig saniert. Die Schulgebäude wurden durch Renovierungsarbeiten zu Schmuckstücken unserer Stadt. An der Haupt- und Realschule in der Schulstraße öffnete 1998 eine neu gebaute Turnhalle und bietet seitdem dem Kröpeliner Sportverein und den Kindern unserer Stadt genügend Raum. Die beiden Kirchengelände wurden ebenfalls verschönert. An der katholischen Kirche entstand 1998 ein neues Pfarrhaus, die Kirche selbst wurde farbendroh gestaltet. Auch die evangelisch-lutherische Kirche besitzt seit 2000 ein neues Pfarrhaus und Gemeindezentrum. An die bekannten und erfolgreichen Schuster unserer Stadt erinnert seit 1999 ein Schusterdenkmal am Pferdemarkt.[19]

Kröpelin ging modernisiert und prächtig in ein neues Jahrtausend über.JHJHJ

[1] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 1-2.
[2] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Kröpelin. Eine Stadt nahe der Ostsee, Kröpelin 2000, S. 2-3.
[3] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 9-17.

[4] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 19-22.

[5] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 29-31.

[6] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 177-179

[7] Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 179-180.

[8] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 241-242.

[9] Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 243-255.

[10] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 102-156.

[11] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 170-177.

[12] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 157-268.
[13] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil I, Kröpelin 1999, S. 390-410.
[14] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil II, Kröpelin 1999, S. 26.29.

[15] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil II, Kröpelin 1999, S. 29-30.

[16] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil II, Kröpelin 1999, S. 31-34.

[17] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil II, Kröpelin 1999, S. 34-40.

[18] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Die Geschichte der Stadt Kröpelin. Chronik Teil II, Kröpelin 1999, S. 40-49.

[19] Vgl.: Stadt Kröpelin (Hg.): Kröpelin. Eine Stadt nahe der Ostsee, Kröpelin 2000, S. 10-12.